Das Landgericht Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 30.05.2017, Az: 2-03 O 134/16 klargestellt, dass ein Model-Release-Vertrag innerhalb eines tfp-Shootings im Wege der Zweckübertragungslehre dahingehend auszulegen ist, als dass dieses Vorteile für beide Seiten hat, wenn der Vertrag es einerseits dem Fotografen erlaubt, seine Arbeit zu bewerben und es andererseits dem Model ermöglicht, die Ergebnisse ebenfalls öffentlich auch zur Eigenwerbung zu verwenden. In einem solchen Fall umfasst die mittels time-for-print-Vertrag erteilte Einwilligung auch die Veröffentlichung im Internet.
Zudem stellte es fest, dass persönlichkeitsrechtsverletzende Bearbeitungen von Bildnissen durch einen Model-Release-Vertrag nicht gestattet werden.
Ich habe in diesem Verfahren den beklagten Fotografen vertreten, den das Fotomodel zum einen wegen der grundsätzlichen öffentlichen Zugänglichmachung ihrer Bildnisse zum anderen wegen Hinzufügens eines Stinkefingers auf Unterlassung in Anspruch genommen hat. Zudem verlangte das Fotomodell Entschädigung und Schadensersatz sowie Ersatz von Abmahnkosten. Das Landgericht sah die Klage als überwiegend unbegründet an.
Erwähnenswert ist dieses Urteil insbesondere hinsichtlich der Auslegung des Model-Release-Vertrages, was für zukünftige Behandlung und Gestaltung solcher Verträge eine maßgebliche Orientierung geben kann.
Sachverhalt
Die Klägerin ist als Fotomodel tätig, wobei sie auf Basis von sogenannten „tfp“-Abreden („Time-for-Print“) mitwirkt, bei denen der Fotograf in der Regel Nutzungsrechte an den gefertigten Bildern erhält und im Gegenzug kein Entgelt zahlt, sondern dem Model Abzüge der Fotografien übergibt. Der Beklagte ist Fotograf.
Im Zeitraum vom 22.-26.06.2009 führten die Parteien ein Fotoshooting durch, bei dem der Beklagte Fotografien der Klägerin fertigte, darunter solche, die die Klägerin unbekleidet zeigen. Zu diesem Zweck schlossen einmal die Parteien einen „Model-Release-Vertrag“.
Im Vertrag zwischen den Parteien heißt es u.a.:
„Hiermit erteilt das Model die ausdrückliche, unwiderrufliche Genehmigung, die vom Fotografen gemachten Aufnahmen ohne jede zeitliche und räumliche Einschränkung in allen bildlichen Darstellungsformen zu veröffentlichen und entsprechend kommerziell zu verwerten. … Das Model erhält ein Honorar / Aufwandsentschädigung gemäß der Vereinbarung (siehe weiter unten). Das Model erklärt damit für ihre Tätigkeit und die Einräumung sämtlicher, uneingeschränkter Nutzungsrechte vollumfänglich abgefunden zu sein und keiner weiteren Forderungen gegen den Fotografen oder Dritte geltend zu machen. …
Das Model erlaubt die Veröffentlichung der Aufnahmen unter Nennung folgenden Namens: ….
…
Das Model hat das Recht die angefertigten Aufnahmen … zu nicht gewerblicher Nutzung in und auf allen Medien zu veröffentlichen. …
Von den gefertigten Aufnahmen veröffentlichte der Beklagte acht Fotografien auf der Webseite www.fotocommunity.de sowie eine weitere Fotografie auf Facebook in der Gruppe „Akt. Boudoir. Lingerie. Fine Art Photography“, wobei hier in das Foto auf die Brust der Klägerin ein „Stinkefinger“ hineinmontiert ist.
Im Jahr 2010 untersagte die Klägerin dem Beklagten die weitere Veröffentlichung der Fotografien und wies darauf hin, dass der Beklagte beim Fotoshooting mehrfach darauf hingewiesen habe, dass die Fotos nur für die Klägerin seien und nur nach Rücksprache veröffentlicht würden. Der Beklagte wies dies zurück und verwies auf die getroffene Vereinbarung. Die Fotografien seien im Rahmen eines sogenannten „Time for Print“-Shootings entstanden. Die Klägerin habe dem Beklagten eine schriftliche Einwilligung erteilt, die ihn berechtige, die erstellten Fotografien uneingeschränkt zu nutzen.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe aufgrund der mündlichen Nebenabrede vor der Veröffentlichung die Zustimmung der Klägerin einholen müssen. Die Umstände eines „Time for Print“-Shootings berechtigen den Beklagten nicht zur uneingeschränkten Veröffentlichung der Fotografien.
Die Klägerin begehrte insbesondere einen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten. Der Beklagte wendete sich dagegen und behauptete, er habe den „Stinkefinger“ lediglich in das eine Bild montiert, weil Facebook es untersage, nackte Frauenbrüste zu zeigen. Das genutzte Icon werde von vielen Facebook-Nutzern verwendet, die Aktfotografie veröffentlichen. Die Ansprüche der Klägerin seien verwirkt, da die Klägerin nach ihrer Unterlassungsaufforderung fünf Jahre zugewartet habe. Er erhebt die Einrede der Verjährung.
Unterlassungsanspruch
Der Klägerin wurde gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der weiteren Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildnisses, das der Beklagte auf Facebook veröffentlicht hat und in das er einen „Stinkefinger“ montiert hat aus den §§ 823, 1004 BGB, 22 f. KUG i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zugesprochen.
Nicht entscheidend war, ob die Klägerin dem Beklagten mittels des Model-Release-Vertrages die Einwilligung zur Veröffentlichung ihrer Bildnisse und zur Bearbeitung der Lichtbilder erteilt hat, da diese Handlung nicht vom Model-Release-Vertrag gedeckt sei. Dem Beklagten fehle die Berechtigung, das Bildnis in dieser Form zu veröffentlichen. Der Zusatz eines „Stinkefingers“ greife in die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Klägerin ein und hätte ohne entsprechende Zustimmung nicht veröffentlicht werden dürfen.
Schadensersatzanspruch
Zudem wurde der Klägerin gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus den §§ 823 BGB, 22 f. KUG i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG für die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildnisses auf Facebook und entsprechender Montage mit dem „Stinkefinger“ zugesprochen.
Einwilligung in Model-Release-Vertrag bindet
Nicht zugesprochen wurden der Klägerin der überwiegende Teil der Klage, nämlich geltend gemachte Ansprüche auf Unterlassung der weiteren Veröffentlichung der übrigen im Rahmen des Fotoshootings im September 2009 gefertigten Fotografien auf der Webseite www.foto-community.de sowie weitergehende Ersatzansprüche.
Begründet wurde dies dahingehend, dass die Klägerin in die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos aufgrund des Model-Release-Vertrages eingewilligt hat.
(…) Grundsätzlich ist die Einwilligung nach dem Grundsatz der Zweckübertragungslehre nach § 31 Abs. 5 UrhG auszulegen. Hieraus können sich Grenzen auch für eine unbeschränkt erteilte Einwilligung ergeben (…) So umfasst die Einwilligung in die Aufnahme durch einen Berufsfotografen nicht deren Verwendung für Werbezwecke (…) Dabei soll die Einwilligung in Werbung nur die ausdrücklich benannten Werbeformen erfassen. (…)
Das Landgericht ist der Auffassung, dass die Klägerin eine Genehmigung in die „kommerzielle“ Nutzung durch den Beklagten erteilt hat, da auch in der Vertragsurkunde von einer Veröffentlichung gesprochen wird.
(…) Zwar wird der Umfang dieses Veröffentlichungsrechts im Vertragstext nicht näher konkretisiert. Teilweise wird diesbezüglich in der Literatur die Auffassung vertreten, dass bei Time-for-Print-Verträgen in solchen Fällen eine einschränkende Auslegung der Einwilligung geboten sei (Vogler, AfP 2011, 139, 140 f.). Denn die Vergütung des Fotografen erfolge aufgrund der speziellen Situation beim tfp-Vertrag bereits durch das Posieren des Models, so dass für die Veröffentlichungsbefugnis eine weitere Vergütung erforderlich sei (Vogler, AfP 2011, 139, 140; vgl. auch Wandtke/Bullinger-Fricke, a.a.O., § 22 KUG Rn. 16). Auch wird diskutiert, ob bei tfp-Verträgen unbeschränkte Rechtseinräumungen nach § 138 Abs. 1, 2 BGB unwirksam seien, wenn dem Fotografen eine kommerzielle Nutzung erlaubt wird, dem Model hingegen nicht. Insoweit sei auch eine eventuelle geschäftliche Unerfahrenheit des Models zu berücksichtigen, die jedenfalls bei Amateur-Models im Zweifel anzunehmen sei (Vogler, AfP 2011, 139, 141) (…)
Die Kammer des Landgerichts schließt sich dieser Auslegung für den hiesigen Fall nicht an. Zu berücksichtigen seien die Umstände des Einzelfalles sowie die Grundsätze der Zweckübertragungslehre nach § 31 Abs. 5 UrhG, wonach (…) das Hochladen der Bilder auf die Plattform Fotocommunity durch den Kläger von dieser durch die Klägerin erteilten Einwilligung gedeckt ist. (…)
Der streitgegenständliche Vertrag umfasst sonach auch die Veröffentlichung im Internet.
(…) Dem Model wird unter „Zusätzliche Rechte für das Model“ zwar lediglich das Recht zu „nicht gewerblicher Nutzung“ eingeräumt. Allerdings darf das Model in diesem Zusammenhang die Bilder „in und auf allen Medien“, insbesondere auf persönlichen Webseiten, bei Wettbewerben und in Ausstellungen und zugehörigen Katalogen, Fotografie- und Kunstbüchern veröffentlichen. Der Vertrag entspricht daher dem Sinn und Zweck des hier streitgegenständlichen tfp-Shooting mit Vorteilen für beide Seiten, da der Vertrag es es einerseits dem Fotografen erlaubt, seine Arbeit zu bewerben und es andererseits dem Model ermöglicht, die Ergebnisse ebenfalls öffentlich auch zur Eigenwerbung zu verwenden. (…)
Auswirkungen auf die Praxis
Das Landgericht Frankfurt am Main stellt unmissverständlich klar, dass es grundsätzlich geboten ist, Verwertungen ausdrücklich in solchen Model-Release-Verträgen zu nennen.
Interessant ist aber, dass es bei einem tfp-shooting und einem geschlossenen Vertrag der die Nutzung des Models für die Eigenwerbung und die Nutzung des Fotografen zur Eigenwerbung im Wege der Zweckübertragungslehre feststellt, dass damit auch die Eigenwerbung des Fotografen im Internet abgedeckt ist.
Diese Ansicht vermag ein wenig aufatmen, betrachtet man die massenhaft unzulänglichen Model-Release-Verträge, die von Fotografen aus dem Internet kopiert und genutzt werden. In vielen Fällen ist wohl davon auszugehen, dass diese Verträge zumindest hinsichtlich der Eigenwerbung im Internet durch die Fotografen Bestand haben.
Es bleibt jedoch bei dem Grundsatz, dass eine pauschale Einräumung sämtlicher Nutzungsrechte nicht ausreicht, um die entstandenen Fotos umfangreich gewerblich zu nutzen. Dazu müssen die Verwertungen ganz konkret benannt werden. Weiß der Fotograf also schon bei Vertragsschluss, für welche Zwecke er die Bilder nutzen will, so ist er gehalten, diese Nutzungs- und/oder Vertriebsarten konkret zu benennen. Für alle anderen Verwertungen wird er im Zweifel eine neue Einwilligung beim Fotomodell einholen müssen.
(Dieser Beitrag wurde unter Mitwirkung von Rechtsreferendarin Mirjam Huber erstellt)