Stadt Mannheim gegen Wikimedia wegen Schutz an einem Lichtbild, dass ein gemeinfreies Werk abbildet – Worauf es rechtlich ankommt!

Urheberrecht schrift klein 250pxEs vermehren und verschärfen sich die Beiträge zu dem Rechtsstreit, den die Stadt Mannheim gegen Wikimedia führt. Die Stadt als Trägerin der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen macht Rechte an einer fotografischen Reproduktion eines gemeinfreien Bildwerkes geltend und verlangt von Wikipedia, es zu unterlassen, dieses Lichtbild öffentlich zugänglich zu machen.

Die Stadt hat in diesem Jahr bereits mehrere Nutzer von Lichtbildern unterschiedlicher gemeinfreier Bildwerke abgemahnt und diese aufgefordert, die Nutzung zu unterlassen. Das Landgericht Berlin gab mit Beschluss vom 19.05.2015, Az.: 16 O 175/15 der Stadt Mannheim im Wege einer einstweiligen Verfügung in einem Fall bereits Recht. Insofern ging das LG Berlin darin davon aus, dass die dort gegenständliche Reproduktion unter § 72 UrhG als Lichtbild fällt. In einem anderen Fall vor dem AG Nürnberg (Az.: 32 C 4607/15) unterlag die Stadt Mannheim allerdings mit ihrem Unterlassungsgesuch. Das AG Nürnberg nahm eine teleologische Reduktion des § 72 vor und gab der Gemeinfreiheit des abgebildeten Bildwerkes den Vorrang, wie die Kanzlei Hoesmann berichtete.

 

Warum eine so heftige Diskussion?

Es wird im Netz vermehrt der Einwand erhoben, dass die Gemeinfreiheit durch die Entstehung eines neuen Lichtbildschutzes umgangen werden würde. Wie so oft wird das Museum als Abmahner gerne nahezu an den Pranger gestellt. Das Museum hat daher eine ausführliche Stellungnahme vorgenommen, um seine Position zu erklären (siehe hier).

 

Worin liegt die rechtliche Problematik?

Die Stadt Mannheim sieht ihr ausschließliches Nutzungsrecht an den Lichtbildern nach § 72 UrhG verletzt. Es stellt sich insofern die Frage, ob in der Tat die Gemeinfreiheit einem Lichtbildschutz vorgehen darf. Ich halte das für äußerst fraglich.

 

Lichtbildschutz nach § 72 UrhG

Aus der Sicht eines Juristen darf man sich aber nicht von vornherein auf ein Schlagwort wie die Gemeinfreiheit einschießen. Zu beginnen ist bei den geltend gemachten Rechten. Die Stadt Mannheim ist der Ansicht, dass sie Rechteinhaber an den Lichtbildern ist, die sie seinerzeit von einem angestellten Fotografen erstellen ließ. Zu allererst ist daher zu überprüfen, ob ein solcher urheberrechtlicher Schutz (sog. Leistungsschutzrecht) überhaupt besteht. Eine schöne Entscheidung zum Vergleich bietet dabei das Urteil des LG München I vom 27.07.2015, Az.: 7 O 20941/14, in welchem wiedergegeben wird, dass der Schutz nach 72 UrhG davon abhängt, dass „ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung, wie es in der Regel schon bei einfachen Fotografien gegeben ist“ (so BGH ZUM 2000, 233, 234) vorliegt. Eine einfache, bloße technische Reproduktion wird daher keinen Lichtbildschutz nach § 72 UrhG genießen. Es liegt insofern an der Stadt, darzulegen, dass ein solches Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung vom Fotografen erreicht wurde.

Das sollte der Stadt m.E. auch gelingen. Denn die Lichtbilder sind teilweise über 20 Jahre alt, stammen also aus einer Zeit, in der die schnelle Reproduktion durch Digitalisierung noch nicht möglich war. Sie wurden analog erstellt. Der Fotograf musste zudem bei der Ausleuchtung des jeweiligen Bilderkes genau darauf achten, dass keine Lichtreflektionen auf dem Foto entstehen. Wer schon einmal versucht hat, eine Seite einer Zeitschrift abzufotografieren, weiß, dass dies sehr schwierig sein kann. Insofern bietet sich auch ein Vergleich zur Produktfotografie, welche in aller Regel unstreitig unter den Lichtbildschutz des § 72 UrhG fällt.

Das AG Nürnberg hat die Klage der Stadt abgewiesen, da es die Aufnahme als reine technische Reproduktion wertete. Der Volltext der Entscheidung liegt mir nicht vor. Insofern kann ich nur davon ausgehen, dass die Stadt nicht entsprechend vorgetragen hat und sich einfach auf den Lichtbildschutz nach § 72 verlassen hat. Aus dem von der Kanzlei Hoesmann zitierten Auszug aus der Entscheidung ist also mitnichten zu erkennen, dass die Abweisung wegen Vorrang der Gemeinfreiheit erfolgte.

 

Unterlassungsanspruch

Unterstellt, dass die Stadt wirklich die ausschließlichen Nutzungsrechte hat, sollte ein Unterlassungsanspruch gem. § 97 UrhG begründet sein. Sofern ein Dritter das jeweilige Foto auf seiner Internetpräsenz ohne Einwilligung der Stadt öffentlich zugänglich macht, verletzt er Rechte der Stadt.

 

Kein Anspruch wegen Abbildung eines gemeinfreien Werkes?

Rechtlich äußerst zweifelhaft ist m.E. die Ansicht, dass der Schutz an einem Lichtbild allein deshalb zurücktreten soll, da das abgebildete Werk gemeinfrei ist. Das würde den Schutz des Lichtbildes gänzlich unterlaufen und findet zudem auch gar keine gesetzliche Grundlage. Der Begriff der Gemeinfreiheit findet im UrhG überhaupt keine Ausgestaltung, sondern ergibt sich allein aus dem zeitlichen Ablauf des Urheberrechtsschutzes.

 

Fazit

Ob die Abmahnung der richtige Weg ist, kann man freilich immer in Zweifel setzen. Die Stadt Mannheim stört sich aber insbesondere an der kommerziellen Verwertung von Lichtbildern, für die sie ursprünglich Geld bezahlt hat. Ich persönlich halte die urheberrechtliche Abmahnung insbesondere dann für ein probates Mittel, wenn es Rechtsverletzungen aus dem gewerblichen Bereich betrifft. Es ist m.E. nach der Stadt nicht vorzuwerfen, zu versuchen es zu unterbinden, dass Dritte die Lichtbilder kostenfrei gewerblich nutzen dürfen sollen, für die die Stadt ursprünglich selbst zahlen musste.

Das Argument der Aushebelung der Gemeinfreiheit halte ich aus genannten Gründen rechtlich für nicht tragbar. Mir erscheinen solche Äußerungen sogar fast schon populistisch. Denn mit diesen Aussagen gewinnt man bei dem Leser ein Unverständnis gegenüber der Stadt Mannheim. Der Leser hat aber kein rechtliches Hintergrundwissen. Von einer Aushebelung darf wohl keine Rede sein. Denn es steht jedem frei, ein Foto von einem gemeinfreien Werk zu erstellen. Im Falle eines Museums tritt dann natürlich in aller Regel das Hausrecht entgegen, aber das ist wieder eine andere Problematik.

 

 

2 thoughts on “Stadt Mannheim gegen Wikimedia wegen Schutz an einem Lichtbild, dass ein gemeinfreies Werk abbildet – Worauf es rechtlich ankommt!

  • Nein, das mit dem Hausrecht ist eben keine andere Problematik, sondern das ist Teil der perfiden Systems, das sich das Mannheimer Museum ausgedacht hat, um mittels vergleichsweise unwichtiger Rechte wie dem Lichtbildschutz und dem Hausrecht eine öffentliche Sammlung vor der Öffentlichkeit zu verstecken und noch den letzten Cent herauszuziehen.

    • Juristisch betrachtet ist das m.E. sehr wohl eine andere Sache. Denn als Inhaber des Hausrechts kann ich das Erstellen jeglicher Fotografien untersagen, egal ob ein Werk nach dem UrhG oder sonst irgendetwas anderes abgelichtet werden soll. Mir geht es nicht darum, der Stadt Mannheim den Rücken zu stärken, sondern allein um die juristische Betrachtung. Und dabei sehe ich keinen Grund, warum der (gesetzlich nun mal bestehende) Lichtbildschutz nicht mehr gelten soll, wenn ein Lichtbild ein gemeinfreies Werk abbildet.

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