AG Oldenburg: Webdesigner muss Material, dass ihm vom Kunden gestellt wurde, auf Urheberrechtsverstöße prüfen

Urheberrecht schrift klein 250pxDas AG Oldenburg hat mit Urteil vom 17.04.2015 – Az.: 8 C 8028/15 (nicht rechtskräftig, Berufung vor dem LG Oldenburg anhängig) eine gesamtschuldnerische Haftung von Auftraggeber und Webdesigner wegen einer Urheberrechtsverletzung angenommen. Nach Ansicht des Gerichts hat ein Webdesigner Bilder, die der Kunde ihm zur Eingliederung in die Internetpräsenz übergibt, auf Urheberrechte zu überprüfen.

 

Was war geschehen?

Die Klägerin ist eine Seniorenresidenz und beauftragte den Beklagten mit der Erstellung einer neuen Internetpräsenz. Zur Gestaltung überreicht diese dem Webdesigner u.a. ein Bild mit einem Kartenausschnitt, welches der Beklagte sodann einfügte.

Nachdem die Klägerin mit der neuen Seite live gegangen war, wurde sie vom Rechteinhaber abgemahnt und aufgefordert eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Da die Klägerin nicht reagiert hatte, erwirkte der Rechteinhaber eine einstweilige Verfügung und forderte nach weiterem Nicht-Reagieren die Klägerin zu einem Abschlussschreiben auf (Anmerkung: Die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung erzeugt eine neue Geschäftsgebühr beim Rechtsanwalt des Auffordernden); sodann wurde dieser Streit beendet. Diese entstandenen Kosten verlangte die Klägerin nun von ihrem Webdesigner erstattet. Dieser wandte jedoch ein, dass ihn keine Prüfungspflichten oblagen, da das Bild von der Klägerin (und damit Auftraggeberin) stammte. Zudem habe er in seinen AGB eine entsprechende Überprüfungspflicht ausgeschlossen.

 

Die Entscheidung des Gerichts

Das AG Oldenburg ist der Ansicht, dass die Parteien gesamtschuldnerisch haften und verurteilt den Beklagten, der Klägerin die Hälfte der Kosten zu erstatten, die ihr entstanden sind. Es hält insoweit beide Beteiligte zu gleichen Teilen verantwortlich für die Urheberrechtsverletzung:

„(…) Beide Parteien haben die Urheberrechte der Fa. M verletzt; die Kl., weil sich die streitgegenständliche Karte auf ihrer Homepage befand, der Bekl., weil er diese Homepage erstellt und online gestellt hat. (…)

Nach Ansicht des Gericht hat der Webdesigner eine vertragliche Beratungspflicht, im Rahmen derer er die Klägerin auf etwaige Urheberrechtsverstöße hätte hinweisen müssen, auch wenn das Bild von der Klägerin stammt. Das sei eine wesentliche Pflicht des Vertrages auf Erstellung einer Internet Präsenz:

„(…) Denn Ziff. 7 der AGB, die die Prüfungspflicht betreffend Urheberrechte Dritter auf den Kunden abwälzt, ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam. Wesentliche Vertragspflicht des Webdesigners ist die Beachtung des Rechts bei Konzeption und Umsetzung von Internetauftritten. Eine Klausel, die den Verwender von einer solchen wesentlichen Vertragspflicht freizeichnet, ist wegen unangemessener Benachteiligung des Auftraggebers und einer Gefährdung des Vertragszwecks unwirksam (vgl. Nennen, GRUR 2005, 214, 218 f.). Die Erstellung eines den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Internetauftritts gehört zu den wesentlichen Vertragspflichten des Webdesigners und lässt sich nicht durch AGB auf den Kunden abwälzen. (…)“

(Anmerkung: Den Volltext der Entscheidung konnte ich vom Kollegen gerth entnehmen (siehe hier))

 

Stellungnahme

Die Entscheidung erscheint äußerst merkwürdig, sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach.

Unbestritten ist, dass ein Webdesigner seine Arbeit nach geltendem Recht abzuliefern hat. Dabei hat er insbesondere Urheberrechte zu beachten. Die Ansicht des AG Oldenburg halte ich jedoch für überzogen und nicht tragbar. Denn letztlich hat der Webdesigner vertragsgemäß gehandelt, indem er das Bild auf Wunsch der Auftraggeberin einpflegte, die Klägerin hat ihm diese Bild gar selbst übergeben. Insofern war es in erster Linie allein Wille und Wunsch der Klägerin, dass das Bild in die Webseite integriert wurde. Letztlich hat diese es auch öffentlich zugänglich gemacht. Ich halte es für unzumutbar, einem Webdesigner in solchen Fällen immer noch eine dezidierte Überprüfungspflicht aufzubürden, ich halte es sogar für rechtlich grenzwertig. Denn m.E. verlangt das AG Oldenburg damit bereits eine Rechtsberatung, wenn es darauf drängt, die Nutzungsrechte an dem Bild zu hinterfragen, damit der Webdesigner dies überprüfen kann. Nach dieser Ansicht soll der Designer aus eigener Initiative heraus die Lizenzumstände nachfragen und aus so erlangten Informationen überprüfen, ob die Rechte bestehen, das ist nichts anders als eine juristische Subsumtion! Eine solche Überprüfung als vertragswesentliche Pflicht zu betrachten, halte ich für weit hergeholt.

Die Frage, die sich insofern stellt: Wo hört dann die Überprüfungspflicht des Webdesigners auf?

Gleichermaßen fragwürdig betrachte ich die Höhe der Entscheidung bzw. die gesamtschuldnerische Haftung, die das Gericht annimmt. Die Klägerin hat selbst verschuldend auf die Abmahnung nicht reagiert und deswegen eine einstweilige Verfügung kassiert. Nachdem diese immer noch nicht reagiert hatte, kassierte sie schließlich noch die Kosten für das Abschlussschreiben. Inwiefern diese Kostenverursachung dem Beklagten zuzurechnen sein sollen, bleibt offen. Diese Kosten wären vermeidbar gewesen, der Beklagte hatte aber gar keine Handhabe, auf diese Kosten Einfluss zu nehmen.

 

Hinweis für die Praxis

Es bleibt natürlich abzuwarten, wie das LG Oldenburg in der Berufungsinstanz entscheiden wird. Es gibt diese Entscheidung aber nun mal und damit auch diese Rechtsansicht. Es stellt sich daher die Frage, ob Webdesigner sich darauf einstellen können. Schwierig ist wohl eine AGB-Klausel, die eine Haftung wegen überlassener urheberrechtlich geschützter Werke ausschließt. Denn das AG Oldenburg betrachtet eine solche als unwirksam. In Kenntnis dieser (Einzelfall-) Rechtsprechung sollte man aber jetzt nicht in Panik verfallen und seine gesamten AGB umschreiben, denn das Urteil des AG Oldenburg ist noch nicht rechtskräftig. Dennoch bleibt ein Restrisiko. Daher mein Rat: Übergibt der Kunde urheberrechtlich geschütztes Material zur Verarbeitung in eine Internetpräsenz (oder auch Logos, Markenzeichen etc.), kurz nach den Nutzungsrechten nachfragen und eine ordentliche Antwort erbeten.