Vor Gericht und auf hoher See – ein Paradebeispiel Teil 2

Bereits letzte Woche stellte ich zwei Urteile vom Amtsgericht Frankfurt am Main vor, die sich in zwei verschiedenen Angelegenheiten sich jeweils inzident mit demselben Sachverhalt auseinandersetzen mussten, und trotzdem unterschiedliche Entscheidungen daraus resultierten… vor Gericht und auf hoher See…! Dieser Fall betraf das Urhebervertragsrecht, ich möchte aber heute zwei Entscheidungen wiedergeben, denen ebenso äußerst ähnliche Sachverhalten zu Grunde lagen. Es handelt sich dabei um die bereits im Netz häufig erwähnte Urteil des LG Bonn vom 22.04.2015, Az.: 9 O 163/14 sowie das Urteil des LG Frankfurt am Main vom 18.03.2015, Az.: 2-06 O 171/14 (beide nicht rechtskräftig). In beiden Verfahren ging es um die Forderung meines Mandanten, der professionell als Fotomodell arbeitet, ihm für die unberechtigte, gewerbliche Nutzung von Fotomaterial, das ihn abbildete, Ersatz zu leisten.

 

Was war geschehen?

Mein Mandant arbeitet seit vielen Jahren professionell als Fotomodell. Er wurde im Jahre 2009 für eine Kampagne einer bekannten Schuhmarke gebucht. Dieser Buchung lag eine vereinbarte Gage von 1.800,00 EUR zu Grunde. Für die Verwendungen in Anzeigen, POS (Point Of Sale), Broschüren und Internet wurde ein 100-prozentiger Aufschlag als Buy-Out vereinbart. Da die Produktion letztlich 1 Stunde länger andauerte, welche mit 250 EUR veranschlagt wurde, wurde ihm ein Gesamthonorar i.H.v. 3.850,00 EUR netto gezahlt. Die Auftraggeberin erhielt die genannten Nutzungsrechte für die Dauer von einem Jahr.

Mein Mandant musste allerdings feststellen, dass von verschiedenen Schuhgeschäften und einer kleineren Kette von Schuhgeschäften Fotos von ihm in Schaufenstern geraume Zeit nach Ablauf der vereinbarten Nutzungsdauer immer noch verwendet wurden. Vor dem LG Bonn nahm er daher ein Schuhhaus in Anspruch, das ein großflächiges Poster, welches ihn abbildete, mehrere Jahre nach Ablauf der Lizenzdauer im Schaufenster genutzt hatte, vor dem LG Frankfurt nahm er eine kleinere Kette von Schuhgeschäften in Anspruch, die deutschlandweit Fotos/Poster von ihm weit über den vereinbarten Nutzungszeitraum verwendeten.

Unser Mandant verlangte von den Nutzern Schadensersatz gem. §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 22, 23 KUG; sollte ein Verschulden seitens der Nutzer ausscheiden, begehrte er Wertersatz im Wege der Eingriffskondiktion gem. §§ 812 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 BGB, der im Ergebnis dem Wert des Schadens entspricht.

 

Die unterschiedlichen Entscheidungen der Gerichte

Das Landgericht Bonn wies die Klage ab. Es begründete u.a. seine Entscheidung damit, dass es ein Verschulden nicht erkennen könnte, und deshalb bereits der Schadensersatzanspruch nicht bestehe. Es verweist zwar auf die Rechtsprechung des BGH (vgl. Urt. v. 14.04.1992, Az.: VI ZR 285/91). Danach unterliegt der Verwender von Fotografien strengen Sorgfaltsanforderungen und muss genau überprüfen, ob er zur Nutzung berechtigt ist. Das LG Bonn zieht aber einen Vergleich dahingehend, dass für den Fall, dass ein Bild von einem Einkaufsverband lizensiert werde, nach der Rechtsprechung des BGH keine Überprüfungspflicht bestehe, und deshalb auch ein Schuhhändler der Werbematerial vom Hersteller bezieht, davon ausgehen darf, dass er das Material unbegrenzt nutzen darf, wenn ihm nichts anderweitiges mitgeteilt worden ist. Die weiteren Ausführungen sind dem Urteil zu entnehmen.

Darüber hinaus – und das ist erheblich erwähnenswerter – meint das LG Bonn, dass auch ein Anspruch aus Bereicherungsrecht, der sog. Wertersatz gem. § 818 Abs. 2 BGB nicht einschlägig ist, und beruft sich dabei auf die angeblichen Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls. Das Gericht führt insofern aus:

„Die „Standardfälle“ der Verletzung des Rechts am eigenen Bild betreffen Fälle, in denen der Verwender zu keinem Zeitpunkt eine Berechtigung zur Verwendung des Bildes hatte und auch keine kostenlosen Alternativmöglichkeiten zur Erreichung des von ihm verfolgten (Werbe-)Zweckes hatte, so dass für diese Fälle sachgerecht ist, für die etwaige Bereicherung darauf abzustellen, was hypothetisch in einem Lizenzierungsvertrag vereinbart worden wäre. So liegt der Fall hier aber nicht, weil die Beklagte alternativ ohne Weiteres kostenloses Werbematerial von der Firma N hätte erhalten können, ohne dass das Werbematerial mit dem Bildnis des Klägers einen erkennbaren höheren Werbewert gehabt hätte oder ein sonstiges objektives Interesse der Beklagten erkennbar wäre, weiterhin gerade mit dem Bildnis des Klägers zu werben. (…) Wenn man also objektiv wirtschaftlich betrachtet für die Frage der objektiven Bereicherung auf den Werbewert durch das Verbleiben des Werbematerials nach zeitlichem Ablauf der Lizenz im Vergleich zur alternativen Beschaffung und Verwendung des aktuellen Werbematerials abstellt, ist eine objektive Bereicherung der Beklagten nicht erkennbar. (…) Es ist also übertragen auf den vorliegenden Fall nicht entscheidend, dass der Kläger eine Vergütung hätte verlangen können, wenn zum Zeitpunkt des Ablaufs der Lizenz die Beklagte (in hypothetischer Kenntnis des Lizenzablaufs) den Wunsch gehabt hätte, das Werbematerial mit dem Bildnis des Klägers weiter zu nutzen und dass in diesem Fall hypothetisch auch ein entsprechender Lizenzierungsvertrag zwischen den Parteien geschlossen worden wäre. Denn dies stellt nicht das objektive Maß der Bereicherung dar, sondern allenfalls das objektive Maß des entgangenen Gewinns des Klägers.“

 

Ganz anders entschied dagegen das Landgericht Frankfurt am Main. Danach bejahte dieses das Bestehen des Schadensersatzanspruches und verwies zudem darauf, dass – selbst wenn ein Verschulden seitens der Beklagten nicht bestanden hätte – jedenfalls ein Anspruch auf Wertersatz gem. der sog. Eingriffskondiktion gem. §§ 812 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 BGB besteht. Zum Verschulden führt das LG Frankfurt aus:

„(…) Die Beklagte handelte schuldhaft. Sie handelte zumindest fahrlässig, und damit unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), als sie das ihr durch die XXX überlassene Motiv länger als von der XXX mit der Klägerseite vereinbart nutzt. Sie hätte sich im Vorfeld bei der Schuhherstellerin rückversichern müssen, für welchen Zeitraum ein Nutzungsrecht besteht. (…)“

Hinsichtlich des Anspruches auf Wertersatz im Wege der Eingriffskondiktion führt das LG Frankfurt aus:

„(…) Durch die Verwendung des klägerischen Bildnisses hat die Beklagte auf Kosten des Klägers „etwas“ i.S.d. § 812 BGB – nämlich die Möglichkeit zur Nutzung seines Bildnisses – ohne rechtlichen Grund erlangt. Hierfür muss sie dem Kläger nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie Ersatz leisten, ohne sich auf das Fehlen bzw. auf den Wegfall einer wirtschaftlichen Bereicherung berufen zu können (vgl. BGH (U.v. 27.10.2011 – I ZR 175/10) – Bochumer Weihnachtsmarkt, juris, Rn. 39 ff. m.w.N.). (…)“

 

Stellungnahme

Beide Urteile sind nicht rechtskräftig und hängen jeweils  in der Berufungsinstanz vor dem OLG Köln und vor dem OLG Frankfurt an.

In der Sache vor dem LG Bonn hat der Kläger gemäß meines Rates Berufung eingelegt. Meinem Rechtsempfinden nach ist diese Entscheidung juristisch grob falsch. Das LG Bonn verkennt vollends das Wesen des Ausschließlichkeitsrechts des Rechts am eigenen Bild. Es nimmt Vergleiche vor, die mit dem Lizenzrecht nicht vereinbar sind und verkennt gefestigte Strukturen, die vom BGH entwickelt wurden. In aller Ehrlichkeit muss ich sagen, dass sich mir die juristischen Haare sträubten, als ich dieses Urteil las.

Gegen das Urteil des LG Frankfurt am Main hat die Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger verzichtete auf eine Anschlussberufung bzgl. der Höhe, obwohl das LG Frankfurt nicht ansatzweise die vom Kläger geforderte Höhe zusprach. Die Beklagte beruft sich in erster Linie auf das Urteil des LG Bonn. M.E. ist aber das Urteil des LG Frankfurt bzgl. der Anspruchsgründe durchaus rechtmäßig ergangen. So wurden die strengen Sorgfaltsanforderungen korrekt der Beklagten zu Lasten gelegt und auch der bereicherungsrechtliche Anspruch bejaht. Insofern mag das auch zu erwarten gewesen sein, denn die 6. Kammer des LG Frankfurt ist u.a. für Urheberrecht zuständig. Lizenzrechtlich folgt nämlich das Recht am eigenen Bild den Grundsätzen des Urhebervertragsrechts.

 

Das Urteil des LG Frankfurt kann hier heruntergeladen werden, das des LG Bonn ist hier zu finden. Über den Ausgang der Berufungsinstanzen werde ich natürlich berichten. Termine sind noch für dieses Jahre angesetzt.